Landes­fachstelle Präventionder Sucht­kooperation NRW

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Entwicklungspsychologische Konzepte

16.04.2018RN

Eine Reihe von Autoren (Silbereisen & Kastner, 1984; Silbereisen, 1990; Kandel et al., 1978; Kandel et al., 1987) haben den Versuch gemacht, Drogenkonsum in Zusammenhang mit Lebensabschnitten und Lebensereignissen zu bringen. Kandel (1983, Kandel et al., 1978) stellt die Hypothese auf, dass das Drogenverhalten bestimmten kulturell bedingten Entwicklungsstadien unterliegt. Dabei spielen jeweils unterschiedliche Kausalfaktoren eine Rolle.

In den ersten Stadien des Drogenkonsums sieht Kandel vor allem soziale Einnüsse als entscheidende Variablen an, z.B. hat sich herausgestellt, dass in der ersten Phase des Konsums der elterliche Umgang mit Alkohol oder Tabak für den Alkohol- bzw. Tabakkonsum der Kinder Mitbedingung ist. In der darauffolgenden Konsumphase spielen gleichaltrige Freunde eine ähnliche Rolle, auch in Hinblick auf den Konsum von illegalen Drogen. In späteren Lebensjahren sieht Kandel den hauptsächlichen Einfluss weniger in sozialen als vielmehr in innerpsychischen Faktoren. Dem Konzept von Silbereisen & Kastner (1984) liegt der entwicklungspsychologische Gedanke zugrunde, dass Drogenkonsum eine ganz bestimmte Funktion bei der Bewältigung von Entwicklungsstufen im Lebensverlauf eines Jugendlichen einnimmt. Aufgrund der Ergebnisse zahlreicher internationaler Längsschnittanalysen entwickelten Silbereisen et al. sechs Funktionen des Drogenkonsums im Entwicklungsprozess Jugendlicher:

  1. als bewusste Normverletzung, als Ausdruck einer nonkonformistischen Haltung;
  2. zur Demonstration von Erwachsensein;
  3. als Spielart exzessiv-ritualisierten Verhaltens;
  4. als Ausdruck des Mangels an Selbstkontrolle, der durch fehlende Problemlösungskompetenzen und frustrierende Situationen zustande kommt;
  5. als Zugang zu Peer-Gruppen und schließlich
  6. als Notfallreaktion auf Entwicklungsstress, indem ein Ersatzziel für nicht bewältigbare Entwicklungsanforderungen gesucht wird.

Drogenkonsum wird somit als eine Strategie unter anderen interpretiert, mit der Jugendliche entwicklungsbedingte Belastungen zu bewältigen versuchen. Hinzu kommt, dass das Erlernen des Umgangs mit Drogen, vor allem mit Alkohol, durchaus zu Entwicklungsaufgaben gehört, die von der Gesellschaft erwartet werden. (Hurrelmann & Hesse (1991) kommen unter oben genannten Voraussetzungen zu folgenden Schlussfolgerungen:

  1. Drogenkonsum ist eine durchaus normale "Ausdrucksform der individuellen Verarbeitung der Lebensrealität". Zugleich ist er aber auch
  2. eine "problematische Form der Realitätsverarbeitung insofern, als Menschen damit einen Weg der Manipulation ihrer psychischen, sozialen und körperlichen Befindlichkeit einschlagen", der ihnen schließlich mehr schadet als nützt und eigentlich bedeutet, dass das Repertoire an Lebenskompetenzen unzureichend ist. Auch hier wird nochmals die Grundthese der entwicklungspsychologischen Ansätze deutlich, dass Drogenkonsum individuell unterschiedlich bewertet werden muss.

Ein weiteres Modell, das im Wesentlichen dem Bereich der Entwicklungspsychologie zuzuordnen ist, wurde von Hurrelmann (1991) entwickelt. Es bildet einen Rahmen nicht alleine für die Entwicklung der Substanzabhängigkeit, sondern stellt den Zusammenhang von Belastung, Bewältigung und Gesundheit sowie Krankheit im Jugendalter dar. Ausgangspunkt ist für Hurrelmann die Tatsache, dass der Jugendliche einer Vielzahl an Entwicklungsaufgaben gegenüber steht "die das ganze Spektrum von körperlichen, physiologischen, psychologischen und sozial-kulturellen Kapazitäten des Individuums herausfordert und nach ständigen aktiven Anpassungsleistungen verlangt" (Hurrelmann, 1991). Die Belastungen, die ein Kind dabei zusätzlich noch bewältigen muss, sind in den letzten Jahrzehnten im Zuge zunehmender Individualisierung deutlich gestiegen. In diesem Zusammenhang werden genannt: ungesicherte Beziehungen innerhalb der Familie (hohe Scheidungsraten), veränderte Lebens- und Berufsperspektiven der Eltern, die auf Kosten der physischen, psychischen und sozialen Pflege der Kinder gehen können. Hinzukommen die hohen Leistungsanforderungen in der Schule, die eine gro8e Belastung für die Jugendlichen darstellen, wie in zahlreichen Studien belegt werden konnte (Hurrelmann et al., 1989; Hurrelmann, 1989). Als weitere Risikokonstellationen nennt Hurrelmann die übergroßen Freiheiten zur Entwicklung eines eigenen Lebensstils, die Jugendliche oft überfordern und nicht zuletzt die zunehmenden Umweltprobleme, die eine beängstigende Zukunftsperspektive liefern. Fallen nun für den Jugendlichen eine Vielzahl von Belastungskonstellationen zusammen, dann kann er je nach persönlicher Disposition und dem Grad der sozialen Unterstützung diese entweder auf seine Art bewältigen oder er ist physisch und psychisch überfordert und es kann zu Störungen im psychosozialen und psychosomatischen Bereich sowie auch zu Suchtverhalten kommen. 


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